Brimborium um BARF

Das Brimborium um B.A.R.F.

 

 

Brimborium (Deutsch) Substantiv, n
Bedeutungen: umgangssprachlich abwertend:
für Nebenumstände, Überflüssiges, unnützer Aufwand, Getue.
Synonyme: …, Gedöns, Gedüns, Gefasel, Gelaber, Getue, … *

 

 

Noch vor wenigen Jahren war der Begriff BARF als Bezeichnung für Hundefutter aus rohen, frischen Nahrungsmitteln in Deutschland völlig unbekannt, heute ist BARF in aller Munde.

Als die erste, die durch das Medium Internet das Konzept von BARF in Deutscher Sprache verbreitet hat, konnte ich sehr gut dessen Entwicklung in Deutschland beobachten. 1996 bekam ich einen Internetzugang und entdeckte eine völlig neue Welt. Ich stellte mit Begeisterung fest, dass die Art, wie ich meine Hunde seit Jahren fütterte, einen Namen hatte, nämlich B.A.R.F. (Bones And Raw Food). Es gab Bücher zu BARF, Mailinglisten zu BARF, Interessengemeinschaften zu BARF, nur gab es keine einzige Deutsche Internetseite zum Thema BARF. Ich schrieb daraufhin diese Internetseite in Deutsch, die sich mit den Themen BARF, Impfungen und Naturheilkunde befasste.

 

Nie hätte ich erwartet, was folgte. In den nächsten acht Jahren hatte diese Internetpräsenz über 3 Millionen Besucher und veränderte mein Leben grundlegend. Täglich kamen E-Mails von verzweifelten Hundebesitzern, deren Hunde krank waren und für die kein Tierarzt mehr Rat wusste. Meine Empfehlung war sehr einfach und immer gleich; die Ernährung umstellen und mit dem Impfen aufhören. Es war ein einfacher Vorschlag mit großer Wirkung. Fast allen Hunden, deren Ernährung umgestellt wurde, ging es danach deutlich besser; viele wurden beschwerdefrei. Das veranlasste mich soviel wie möglich über Hundeernährung zu lernen. Ich lernte sehr viel aus Büchern, aber das Meiste lernte ich von den Hunden selbst, da ich das Glück hatte, tausende Hunde auf ihrem Weg zur Rohfütterung zu begleiten.

 

In den ersten Jahren hielt ich kostenlose Vorträge und war froh, wenn zehn Menschen auftauchten; ich wurde beschimpft und bedroht von Tierärzten, Futtermittelverkäufern und Hundebesitzern. Heute gibt es Tierärzte, die Rohfütterung empfehlen, hunderte Frischfleischlieferanten und etliche tausend sogenannte „Barfer“ – Menschen, die ihre Hunde nach den Prinzipien von BARF füttern. Es gibt einige Bücher, Zeitschriften und Foren und hunderte deutsche Internetseiten zum Thema BARF.

 

Es gibt aber leider einige traurige Nebeneffekte.

 

Barfen ist in, jeder hat’s erfunden, jeder weiß es besser. Es gibt echte Barfer, Teilbarfer, Vollbarfer, hardcore Barfer; es gibt Ursprungsbarf, Hühnerbarf, original BARF, TCM BARF, gekochtes BARF (?!); BARF nach Billinghurst, BARF nach Lonsdale, BARF nach Schulze, usw. usf.

 

Barfer bekriegen und beschimpfen sich gegenseitig; bestimmte Bücher oder Ernährungspläne werden fast religiös befolgt, alle anderen Rohfütterungsansätze als unseriös abgestempelt. Menschen, die vor zwei oder drei Jahren in Internetforen noch schrieben, dass sie auf Rohfutter umstellen möchten, schreiben heute als Experten, die mindestens zehn Jahre oder besser noch „schon immer gebarft“ haben. Ja, sogar ihre Eltern und Großeltern „barften“. Mit Sicherheit haben sie den Hund erfunden und/oder waren selbst jahrelang Hund.

Derjenige, der die meisten Nährwerte, Statistiken und „wissenschaftlichen“ Studien zitiert und mit den meisten medizinischen Fachbegriffen um sich wirft, hat zweifelsohne die meiste Ahnung.

 

Immer kompliziertere Formeln werden zur Nahrungszusammenstellung erfunden und die Fütterung der Hunde wird wieder zur undurchschaubaren Wissenschaft.

 

Diverse Internetforen beanspruchen die absolute Wahrheit für sich selbst – es herrscht ein Konkurrenzdenken. BARF polarisiert – man ist entweder Barfer oder man gehört zur armseligen Spezies der Fertigfutterfütterer. Dieser traut sich nicht mehr, in einem Barfer-Forum über Fertigfutter zu schreiben und fristet sein trauriges Dasein mit dem schlechten Wissen und Gewissen, dass er seinem Hund nicht das Beste bieten kann.

 

Die „Beinahe-Barfer“, die sich z. B. nicht trauen rohe Knochen zu füttern, werden bedauert und fühlen sich als minderwertige Barfer nicht berechtigt mitzureden. Traut der „Beinahe-Barfer“ sich dann doch irgendwann Geflügelknochen (roh versteht sich) zu füttern, wird er bejubelt und in der Gemeinschaft der „echten Barfer“ willkommen gehießen. Die „Hardcore Barfer“ werden von allen anderen bewundert, denn sie trauen sich nur RFK (rohe fleischige Knochen) und Fleisch zu füttern. Ihre Hunde brauchen kein Gemüse, keine Zusätze, im Fleisch ist alles drin, Punkt! Andere Barfer füttern jeden Tag heimlich ein oder zwei Handvoll Trockenfutter, denn sie wollen dazugehören, haben aber Angst dem Hund könnte was fehlen. Werden sie mit einem Sack Fertigfutter erwischt, ist dieser nur „für den Notfall“ oder für ein Tierheim.

 

Man will ein echter Barfer sein.

 

Wer will schließlich nicht zu der Sorte Mensch gehören, die diesen natürlichen Umgang mit seinem Hund pflegt. Die in ihrem Range Rover angefahren kommen, in ihren Outback-Klamotten mit ihren Wolfshybriden am Lagerfeuer sitzen und spannende Geschichten von der letzten „Ganzkadaver-Fütterung“ ihrer Hunde erzählen. Denen traut man zu, dass sie das Lamm in einer wilden Jagd mit eigenen Zähnen gerissen haben, selbstverständlich als Rudel.

 

Von anderen, nämlich der „Fertigfutter Fraktion“ werden die Barfer als leichtsinnige, verantwortungslose Fanatiker bedauert. Man vergleicht die Barf-Bewegung mit einer Sekte, die ihrem Guru hörig ist. In der Tat sind viele Barfer fanatisch und zeigen wenig Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andershandelnden. Immerhin sind es schon sechs Monate her, als sie noch Fertigfutter fütterten! Probleme mit der Rohfütterung werden oft als Inkompetenz der Hundebesitzer abgetan. Der eventuell interessierte Hundebesitzer wird doppelt verunsichert; einmal durch die Propaganda der Fertigfutterindustrie und nochmals durch die Dispute zwischen diversen Barfern.

 

 

Was ist passiert?

 

Das Thema BARF, wie fast alle Themen rund um den Hund, ist sehr emotional besetzt. Hundebesitzer, die jahrelang und für viel Geld nach einer Lösung der Gesundheitsprobleme ihrer Hunde gesucht haben, fanden zum nicht unerheblichen Teil eine Lösung in der Rohernährung für Hunde. Wenn man einen langen Leidensweg hinter sich hat und eine so simple Lösung findet, neigt man dazu es jedem erzählen zu wollen. Das erklärt auch die rasante Verbreitung des BARF-Konzeptes. Wenn man aber in seinem Mitteilungsdrang auf starken Widerstand stößt, lässt der Fanatismus nicht lange auf sich warten. Man befindet sich oft in einer Verteidigungsposition und nimmt eine defensive Haltung ein. Es ist in der Tat nicht einfach etwas zu tun, das oft von Züchter, Tierarzt, Tierheim, Hundetrainer und der Familie negativ und argwöhnisch betrachtet wird.

Man lernt immer mehr über die Ernährung um fachlich argumentieren zu können, man sucht Gleichgesinnte. Man will immer überzeugen, denn man ist von dem ständigen Widerstand verunsichert und braucht überzeugende Argumente, um sich selbst zu bestärken.

Problematisch wird es, wenn das angeeignete Wissen ein einfaches Konzept zur Wissenschaft werden lässt. Dabei kommt es vor, dass der ursprüngliche Gedanke verloren geht.

 

Wir leben in einer Zeit, in der eine gewisse Unzufriedenheit in unserer Wohlstandsgesellschaft zu spüren ist. Menschen suchen Antworten, suchen nach ihren Wurzeln, nach dem Sinn des Lebens. Religionen und Sozialsysteme versagen, befriedigen unser Bedürfnis nach Sicherheit, Spiritualität und Identität nicht mehr. Es gibt eine starke Bewegung, die man als „Back to Nature“ bezeichnen könnte. Bio ist in, Natur ist in, vieles was die Menschheit als Fortschritt angesehen hatte, entpuppt sich als Fehler – wir merken zunehmend, dass etwas schief läuft. Die Tendenz ist zurück zu gehen, die einfachen Sachen, die natürlichen Sachen, den Ursprung im Leben neu zu entdecken. Das betrifft insbesondere auch unser liebstes Haustier, den Hund.

 

Was als Verzweiflungstat begann, wird zum Trend. BARF ist natürlich, BARF ist in. Der Hundebesitzer, der artgerecht mit seinem Hund umgeht, möchte ihn auch artgerecht ernähren.

Man will das Natürliche, aber bitte mit wissenschaftlichen Beweisen. Nur beweist die Wissenschaft oft in diesem Jahr das Gegenteil vom letzten Jahr. Oder verschiedene wissenschaftliche Studien liefern sich völlig widersprechende Ergebnisse.

 

Was kann man überhaupt noch glauben?

 

Man kann der Mutter Natur glauben. Sie ist es, die uns „erfunden“ hat und sie ist es, die den Hund erfunden hat (nein, ich war’s wirklich nicht). Sie hat allen Tieren ein Verdauungssystem gegeben, dass auf bestimmte Nahrung zugeschnitten ist. Sie hat ein perfektes System geschaffen, in dem alle Lebewesen in Balance leben können. Einige Tiere fressen Pflanzen, einige Tiere fressen andere Tiere, einige Tiere fressen alles und dann gibt es noch den Menschen …

 

BARF ist keine Erfindung eines Menschen. Kein Mensch hat einen Anspruch darauf es sein Eigen zu nennen oder die letzte Weisheit zur Hundeernährung für sich zu beanspruchen. Die Fertigfutterindustrie hat dies versucht, zumindest in Bezug auf Hundeernährung, und sie hat versagt.

 

BARF ist ein einfaches Konzept. Der Hund ist von seiner Natur her ein Karnivor, also ein Fleischfresser. Ein Fleischfresser sollte Fleisch fressen. Fleischfresser fressen in der Natur andere Tiere, denn Tiere bestehen aus Fleisch (und ein paar anderen Komponenten). Folglich ist das Fressen von Tieren, ihrem Fleisch (und anderen Komponenten) die einzig richtige und die einzig natürliche Nahrung für Karnivore.

 

So einfach ist das.

 

Die Tatsache, dass Karnivore auch mal was anderes fressen als ein Tier, z. B. Kot, Erde, Kräuter, Obst oder Insekten, macht sie nicht zu Omnivoren (Allesfressern).

 

Die Hundeartigen (Canidea) sind eine Überfamilie innerhalb der Ordnung der Raubtiere (Carnivora) …

 

 

 

… Die Hundeartigen werden in die folgenden Familien unterteilt:

 

 

 

• Hunde (Canidae)

 

 

 

• … *

 

Der Ausgangspunkt des BARF-Konzeptes ist also die Fütterung von ganzen Beutetieren im unbehandelten Zustand. Man darf davon ausgehen, dass diese Nahrungsgrundlage ziemlich alles enthält, was der Hund an Nährstoffen braucht. Da die Fütterung von ganzen Tieren für fast alle Hundebesitzer nicht praktisch realisierbar ist, ist man gezwungen die Nahrung aus verschiedenen Bestandteilen selbst zusammenzustellen.

Die Handhabung der Nahrungszusammenstellung ist der Punkt, an dem sich die BARF-Geister scheiden, regelrecht bekriegen. In Internetforen wird seitenlang diskutiert, ob der Hund nun Getreide braucht oder nicht, ob der Hund nun Kräuter braucht oder nicht, ob der Hund nun Gemüse braucht – und wenn, dann gekocht, gedünstet, fermentiert oder roh? – oder nicht. Man kann sich jahrelang mit diesen überaus wichtigen Fragen beschäftigen, es werden Studien, Beweise und Indizien vorgebracht, um den einen oder anderen Standpunkt zu untermauern. Der Wolf wird beobachtet und analysiert; frißt er nun den Mageninhalt des Beutetieres oder nicht? Wildhunderudel müssen zur Beweislage hinhalten, man wundert sich nicht über den Titel des neuen Buches von Günther Bloch; „Die Pizza Hunde“. Vielleicht ist Pizza artgerecht???

 

Es werden Daten, Tabellen und Studien der Fertigfutterindustrie und deren gesponsorten Wissenschaftlern hinzugezogen, um die perfekte BARF-Mahlzeit zu berechnen. Kaum einer überlegt, dass industriell verarbeitetes Futter ganz anders verwertet wird als frische, unbehandelte Nahrung. Kaum einer bedenkt, dass die Fertigfutterindustrie ein ganz anderes Ziel verfolgt mit ihren Studien als die optimale Gesunderhaltung unserer Hunde.

 

Man ist geprägt von dem Gedankengut der Industrie, die einem einbleut, dass der Hund alle Nährstoffe im richtigen Verhältnis in jeder Mahlzeit benötigt. Dieser Gedanke ist in der gesamten Natur beispiellos.

Kein Lebeswesen auf dieser Erde ernährt sich so. Nicht einmal der überaus komplizierte Mensch ernährt sich nach diesem Konzept.

 

Alle Lebewesen außer natürlich Hunde (und Katzen) fressen das, was die Natur gerade im Angebot hat. Sie bekommen mal mehr, mal weniger von verschiedenen Nährstoffen. Man geht davon aus, dass über einen gewissen Zeitraum die Nährstoffbedürfnisse gedeckt sind. Auch der Mensch rechnet nicht seinen Nährstoffbedarf aus, rechnet dann den vermutlichen Nährstoffgehalt seiner Lebensmittel aus, um dann jede Mahlzeit so zu gestalten, dass alle Nährstoffe im richtigen Verhältnis enthalten sind.

Ein völlig absurder Gedanke, oder nicht?

 

Bei der Futterzusammenstellung ihres Hundes scheinen viele Menschen ihren Verstand auszuschalten und verfallen dem Fertigfuttergedanken „alle Nährstoffe im richtigen Verhältnis zu jeder Mahlzeit“. Sie machen sich regelrecht verrückt in dem Versuch, die optimale Mahlzeit zu basteln. Dass viele Nährstoffe, insbesondere Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, noch nicht von der Wissenschaft gründlich erforscht oder gar entdeckt worden sind und folglich keine Bedarfswerte vorhanden sind, irritiert sie nicht im Geringsten. Sie rechnen fleißig weiter.

Wer am meisten rechnet, hat die meiste Ahnung und ist der beste Barfer.

 

Es ist Zeit damit aufzuhören.

 

Barfen ist leicht. Barfen ist keine Religion. Barfen ist einfach nur Hunde füttern.

Es besteht kein Grund ein Brimborium drum zu machen. Es ist nicht entscheidend, ob der Hund ein bißchen Getreide bekommt oder 30% statt 10% Gemüse. Es ist nicht entscheidend, ob der Hund zwei Mal am Tag frisst oder nur ein Mal alle zwei Tage. Entscheidend ist, dass man sich am Beutetier orientiert und abwechslungsreich füttert. Entscheidend ist, dass das Futter frisch und möglichst unbehandelt ist und dass man weiß, was in seinen Hund „reingeht“.

 

Es gibt inzwischen sehr kranke Hunde in unserem Land. Einige davon vertragen bestimmte Lebensmittel nicht, andere können Futter nicht mehr richtig verdauen. Für solche Hunde muss man die Fütterung so gestalten, dass es ihnen gut geht. Wenn es einem Hund mit etwas Milchprodukten und Getreide besser geht, sollte man ihm das füttern. Wenn ein Hund Knochen nicht verdauen kann, sollte man keine Knochen füttern. Wenn ein Hund nur gekochtes Futter vertragen kann, sollte man sein Futter kochen.

 

Mogens Eliasen hat es treffend formuliert als er sagte; „wenn ein Hund Rohfutter nicht verträgt, liegt es nicht daran, dass das Futter nicht in Ordnung ist, sondern daran, dass der Hund nicht in Ordnung ist“.

 

 

BARF disqualifiziert sich als Ernährungskonzept nicht, wenn ein kranker Hund es nicht verträgt. Vielmehr bietet BARF die Möglichkeit, die Ernährung mit wenig Mühe auf den individuellen Hund abzustimmen.

 

 

Gesunde Hunde vetragen im Gegensatz zu kranken Hunden fast jedes Futter. Grobe Ernährungsfehler wie zum Beispiel Ernährung aus dem Sack zeigen sich oft erst nach einigen Generationen. Grobe Ernährungsfehler findet man in den meisten BARF-Plänen aber nicht. Orientiert man sich am Modell Beutetier und erlaubt man den Hund auch mal diverse Wildpflanzen und Kot von Pflanzenfressern zu sich zu nehmen, wird diese Ernährungform zur Gesunderhaltung führen. Ob man ein bißchen Getreide, Milchprodukte oder andere „nicht artgerechte“ Komponenten der Nahrung hinzufügt, spielt kaum eine Rolle und führt nur zu Polemisierung des Themas BARF.

 

Polemisieren heißt, eine (bestimmte andere) Ansicht zu bekämpfen.

 

 

 

Der Polemiker sucht nicht den Konsens, sondern will im rhetorischen Wettstreit siegreich sein.*

 

 

Es wird Zeit mit der Polemik aufzuhören und sich auf den ursprünglichen Gedanken hinter BARF zu besinnen, nämlich die Gesunderhaltung unserer Hunde!

 

 

 

*www.wikipedia.de